Erzeugercode Ziffer 2 (Eier aus Bodenhaltung)

Text: Sabine Köhler  |  Foto: joshuaentis.com

Mühsam picke ich mich Stück für Stück aus der Eierschale. Eigentlich hatte ich meine Mutter und ihre kuscheligen Bauchfedern erwartet, aber ich bin in einer Maschine geschlüpft mit unzähligen anderen gelben Federbällchen. Schon im Ei hörte ich nicht das beruhigende Glucken meiner Mama, nur Maschinengeräusche und Menschenstimmen. Hennen erkennen ihre Kinder an der Anzahl und bis zu 4 Tage lang rufen die Küken ihre Mutter, wenn sie getrennt werden. Ich hatte nie das Glück meine Mama kennen zu lernen. Auch die Nahrungsaufnahme und Sozialverhalten konnte sie mir nicht beibringen – niemand tat es. Meine Brüder werden gleich nach dem Schlüpfen am 1. Lebenstag getötet, durch Schreddern bei lebendigem Leib, sie sind für den Menschen unnütz, weil sie keine Eier legen können.

Auf einem laufenden Band werden wir von Händen mit Gummihandschuhen aussortiert, hin und her geworfen. Mit dem Kopf in eine Maschine eingehängt wird mir meine Schnabelspitze ohne Betäubung einfach abgeschnitten. Es tut so sehr weh, als wenn dir ohne Betäubung ein Finger amputiert würde.

In einer großen Halle lebe ich nun mit 200.000 anderen. Wir sind alle gestresst, tun uns gegenseitig weh, es ist viel zu eng! Wer durch Streitereien verletzt wird, überlebt diese Hölle schon mal nicht. Wir essen uns gegenseitig auf. In mehreren Etagen sind Gitter und Käfige, auf jeder Ebene drängen sich die Hennen, der Kot fällt durch die Metallstangen bis unten hin. Der Boden der Halle ist nur zu 1/3 ausgestreut, weil das gesetzlich vorgeschrieben ist und mehr zu teuer wäre.

Unsere völlig reizarme Umgebung bietet uns keinerlei Beschäftigung tagein und tagaus. Auch ich bin dadurch schon echt aggressiv geworden. An ein schönes Sandbad oder den Nestbau ist hier gar nicht zu denken. Die ganze Luft hier stinkt zum Himmel durch das Ammoniak unserer Exkremente. Von unseren Federn und Hautschuppen sowie Futterresten staubt es auch permanent und wir müssen alles einatmen. Psychisch und körperlich sind wir schnell am Ende, Tageslicht sehen wir hier nie.

In den langen Kunstlichtphasen fressen wir nur und legen fast täglich ein Ei. Eigentlich legt meine Art nur rund 12 Eier im Jahr, aber wir sind so gezüchtet, dass wir über 300 Eier im Jahr legen müssen. Das wir dabei völlig ausgelaugt werden und unter Mangelerscheinungen, Krankheiten und Entzündungen leiden, ist kein Wunder. Das verkürzt unsere Lebenserwartung von eigentlich 15 Jahren in der Natur auf 12–15 Monate bis zur Aussortierung.

Ich gehöre zu den Hennen, die XL-Eier legen müssen, mein erstes Ei kommt nur unter großen Schmerzen aus mir heraus, ich blute und will nicht mehr. Eine meiner Schwestern hat noch nicht mal ihr erstes Ei herausbekommen, es bleibt ihr in der Kloake stecken, niemand hilft ihr und sie stirbt neben mir einen langsamen und qualvollen Tod. Bei so vielen Hennen im Stall ist eine Kontrolle oder Hilfe unmöglich, nur die toten und bewegungsunfähigen Schwestern werden ab und zu aufgesammelt. Wenn die „Produktion“ der Eier bei einer Henne auf 80 % sinkt, ist sie nicht mehr profitabel und reif für den Schlachthof. Weil wir alle zusammen vor gut einem Jahr hier eingesperrt wurden, ereilt uns nun der Tod auch alle zusammen. In Kisten eingesperrt kommen wir auf einen Transporter. Waren wir schon vorher gestresst, ist es jetzt noch einmal mehr beängstigend. Viele brechen sich vor Panik die Flügel und Beine.

Im Schlachthof angekommen: Gas soll uns möglichst schnell betäuben, ich und ein paar andere hatten jedoch noch Luft im Gefieder, das bewirkt, dass wir nicht vollkommen betäubt sind. Trotzdem werden wir an den Beinen über Kopf an einem Förderband aufgehängt. Ich versuche noch meinen Kopf zu heben, dann wird er maschinell abgeschnitten … ich bekomme nicht mehr mit, wie mein Körper in heißes Wasser getaucht wird, damit die Federn einfacher herauszureißen sind.

Erzeugercode Ziffer 1 Freilandhaltung:

Dort, wo die Tiere in Freilandhaltung oder sogar Biohaltung leben sollten, sieht man tagsüber kaum Tiere im Freien. Tierschützer*innen hatten gefilmt, dass Metalldrähte oder sogar Elektrokabel vor den Auslaufklappen die Hühner am Verlassen des Stalls hindern. Die Erzeuger können zwar die vorgeschriebenen Grünflächen ausweisen, doch sind diese in einem Fall von einem Kanal und einer Straße durchkreuzt, in einem anderen pflügt eine Baustelle das Gelände um. Warum sollen die Hühner nicht raus? Der simple Grund: Bequemlichkeit. Bleiben die Tiere im Stall, werden auch die Eier im Stall gelegt. Milben krabbeln über die Haut der Tiere, es wimmelt nur so von Parasiten auf den Hennen.

Die Bio-Massentierhaltung:

Wer denkt bei Bio schon an Massentierhaltung. Falsch gedacht. Bei der Biohaltung dürfen laut EU-Vorschrift zwar nur 3000 Tiere in einen Stall, aber der Bauer darf Stall an Stall bauen. So entstehen Biofarmen mit bis zu 20.000 Hennen. Luftaufnahmen von solchen Großställen zeigen, dass die Hühner, wenn sie überhaupt raus gehen, sich höchstens 30 Meter vom Stall wegbewegen. Den Rest der Grünfläche betritt kein Huhn. Hühner sind Fluchttiere und brauchen Verstecke in Form von Büschen und anderen Pflanzen, diese gibt es hier jedoch nicht.

Nur etwa die Hälfte aller in Deutschland verbrauchten Eier werden frisch aus der Schale gegessen. Der Rest wird über verarbeitete Lebensmittel verzehrt: Mayonnaise, Kuchen, Kekse, Nudeln, Backmischungen, Suppen oder Süßwaren – Eier sind in der Zutatenliste verschiedenster Fertigprodukte enthalten. Die enorme Nachfrage nach Eiern für die Weiterverarbeitung könnte von den heimischen Produzenten gar nicht gedeckt werden. Deshalb importieren viele Unternehmen ihre Eier aus Osteuropa oder Nicht-EU-Ländern und greifen dabei gerne auf die billigeren Käfigeier zurück. In verarbeiteten Lebensmitteln ist der Gebrauch von Käfigeiern erlaubt, die Kennzeichnung von Herkunft und Haltungsform ist bei ihnen nicht verpflichtend. In Deutschland ist Käfighaltung seit 2010 verboten, EU-weit seit 2012. Aber Schätzungen zufolge sind auch heute immer noch mehrere Millionen Tiere in der EU illegal in den alten, eigentlich verbotenen Käfigen eingesperrt.

Wir essen ständig Eier von kranken, verhaltensgestörten Hennen.
„Wir machen quasi aus Scheiße Gold. Das ist ein Geschäft, mit dem macht man immer Geld.“
Der effektivste Weg, den Hühnern zu helfen und sie zu schützen, ist auf pflanzliche Alternativen umzusteigen.

Wie du veganen Eiersatz selbst machen kannst, erfährst du hier. Weitere Rezepte ohne tierisches Ei findest du auch hier auf der Website unter Rezepte.

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