Bundesweiter Aktionstag gegen den Kastenstand

Text & Foto: P. F.| Rede: Sabine Gräfe

Am 26.07.2021 haben wir die sofortige Abschaffung der Kastenstände für Muttersauen gefordert. Mit 25 Aktivist:innen waren wir auf dem Bremer Marktplatz präsent und haben Videos aus der Tierindustrie gezeigt, Infomaterial verteilt, mit Passanten gesprochen sowie Reden gehalten.

Muttersauen sind in der Regel nur drei Tage am Stück nicht schwanger. Den Rest der Zeit verbringen sie als „Gebärmaschinen der Fleischindustrie“ zwischen Kastenstand, Abferkelbucht oder Gruppenhaltung auf Spaltenboden.

Wir alle können jederzeit Teil der Lösung werden. Dies verdeutlichte auch unsere Aktivistin Sabine in Ihrer Rede:

Unsere Gesellschaft hat den Anspruch, sozial, ethisch und moralisch fortschrittlich zu sein. Es soll kein Faustrecht herrschen und der Schutz von Minderheiten und Schwachen ist gesellschaftliche Pflicht. Und weil wir Tiere als empfindungsfähige Wesen erkannt haben, gibt es ein Gesetz, das ihnen Schutz garantieren soll. Vor uns und unserem Umgang mit Schwächeren.

Aber das gilt für ein paar willkürlich ausgesuchte Tiere nicht. Für sie gilt die Nutztierhaltungsverordnung. Ein ellenlanger Katalog an Ausnahmen. Das sind Handlungen, für die wir bei Hunden oder Katzen strafrechtlich verfolgt würden. Aus gutem Grund.

Diese sogenannten Nutztiere kennen wir meist nur aus verniedlichenden Kinderfilmen, täuschenden Werbungen oder als Produkt. Ihre Artbezeichnung ist dann nichts weiter als eine Materialangabe. So wie Polyester, Baumwolle usw.

Eine Tierart davon sind die Schweine. Sie existieren hinter Mauern und wir wissen kaum etwas über ihr Leben.

Schweine sind hochsoziale und intelligente Lebewesen. Ihre kognitiven Fähigkeiten sind mit denen eines 3-jährigen Kindes zu vergleichen.

Schweine erkennen sich selbst im Spiegel. So, wie auch Menschenaffen, Delfine und Elefanten. Schweinemütter bauen ihren Kindern ein Nest und versorgen sie liebevoll. Sie beschützen sie mit dem Mut einer Mutter, singen sie in den Schlaf und trösten sie.

Schweine sind sehr reinliche Tiere. Sie legen ihre Toiletten in Extrabereiche – weit weg von ihren Schlafplätzen.

Und wie sieht das Leben einer Sau aus?

Wenn sie ca. 7 Monate alt ist, wird sie das erste Mal besamt. Das bedeutet, sie kommt in einen körperengen Metallkäfig, wo ihr das Sperma eingeführt wird. Obwohl es keinen vernünftigen Grund gibt, verbringt 4 bis 5 Wochen in dem Kastenstand. Sie kann sich nur gerade eben hinstellen oder mühsam hinlegen. Ihre Beine kann sie nur ausstrecken, wenn ihre Nachbarin selbst nicht gerade liegt. Umdrehen kann sie sich gar nicht.

Danach kommt sie in den Wartebereich. Das ist in der Regel eine Betonbucht mit Spaltenboden. Schweine haben zwar ein starkes Sozialverhalten. Aber das funktioniert nur dann richtig gut, wenn sich die Tiere kennen. Hier aber treffen sie auf eine immer neue Zusammensetzung und es fehlen jegliche Rückzugsmöglichkeiten. Unter solchen Bedingungen würden wir selbst durchdrehen. Und auch für die Sauen ist das ein permanenter Stress.

Dazu kommt der massive Gestank der eigenen Exkremente, über denen die Sauen leben müssen. Eine Qual für die empfindlichen Nasen der Schweine. Und auch Augen und Schleimhäute werden von dem Ammoniak gereizt.

In dem Wartebereich verbringen die Sauen ca. 11 Wochen. Eine Woche vor der Geburt kommen sie erneut in einen Kastenstand. Das ist wieder ein körperenger Gitterkäfig, in dem es teilweise sogar die Möglichkeit gibt, die Sau am Aufstehen zu hindern.

In dieser Fixierung muss die Schweinemutter ihre Kinder bekommen. Sie kann sie nicht sehen, denn sie kann sich nicht zu ihnen umdrehen. Sie kann ihre Liebe und Fürsorge für ihre Kinder nicht umsetzen.

Sollte ein Baby unter sie geraten, hat sie keine Möglichkeit, auszuweichen und quetscht oder erdrückt ihr Kind. Wir können uns sicher lebhaft vorstellen, was es für eine Mutter bedeutet: das eigene Kind unter Schmerzen schreien und kreischen zu hören; zu fühlen, dass es unter dem eigenen Körper liegt und nichts, aber auch gar nichts tun zu können.

Kurz nach der Geburt werden die Babies von ihrer Mutter weggenommen, um sie zu impfen, Marken in die Ohren zu stanzen, die Schwänze abzuschneiden, Zähne zu schleifen oder abzuknipsen und den Jungs die Hoden zu entfernen. Die inzwischen vorgeschriebene Betäubung bei der Kastration ist übrigens bei einem nicht unerheblichen Teil der Ferkel nicht richtig wirksam. All das ist schierer Terror für die Kinder. Und der eingezwängten Mutter bleibt nichts, als der verzweifelte Versuch, den Babies Trost zuzurufen.

Nach 3 – 4 Wochen werden die Kinder von der Mutter getrennt und die Sau kommt erneut in den Deckbereich. Der Kreislauf im Kastenstand beginnt erneut. Wer einmal in die Augen solcher Sauen geschaut hat, der erkennt pure Verzweiflung, Wahnsinn oder bodenlose Resignation. Sie blicken und kauen ins Leere oder beißen an den Stangen oder den hingehängten „Spielketten“.

Und auch körperlich hinterlässt diese Tortur deutliche Spuren. Neben dem Verschleiß durch die ständigen Schwangerschaften führt der Bewegungsmangel und die Enge zu Abschürfungen, Druckstellen bis hin zu Geschwüren und infizierten Wunden v.a. im Schulterbereich und Erkrankungen des Harntrakts, der Gebärmutter oder Gesäugeleiste.

Nach ca. 3 Jahren maximaler Ausbeutung sind die Sauen in der Regel am Ende. Sie sind völlig verschlissen und erschöpft. Sie werden krank, die Fruchtbarkeit lässt nach und sie gebären nicht mehr genug Kinder oder haben Totgeburten. Nachdem alles aus ihnen herausgequetscht wurde, wandern sie nun auf den Schlachthof.

All dies ist mit unserer Vorstellung einer fortschrittlichen Gesellschaft nicht zu vereinbaren. Was wir diesen Tieren antun, steht in krassem Widerspruch zum Tierschutzgesetz. Das hat auch die Politik erkannt. Sie will die Nutzungsdauer der Kastenstände reduzieren, gewährt dafür aber bis zu weitere 14 Jahre Übergangsfristen.

Jeder von uns kann sich vorstellen, wie es wäre, für Stunden in einer Badewanne knien zu müssen. Stellen wir uns vor, dass direkt unter uns die Latrine stinkt, links und rechts neben uns andere Menschen in Badewannen verrückt werden, an Stäben rütteln, um Hilfe schreien, Schmerzenslaute von sich geben und immer wieder die Schreie von zerquetschten Kindern zu hören sind. Da wäre jede Minute zuviel. Die Kastenstände sind deshalb abzuschaffen und zwar sofort.

Dies ist keine Sache von ein paar Menschen, die sich unter der Überschrift „Tierschutz“ engagieren. Das ist ein gesellschaftliches Thema. Dabei ist jeder Einzelne genauso in der Pflicht, wie die Politik.

Wir alle können jederzeit Teil der Lösung werden. Wir können gut und gesund leben, ohne den Tieren Leid oder Schaden zuzufügen. Lasst uns also aufhören, sie als Lebensmittel zu betrachten und sagen:

Nicht mehr in meinem Namen.

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