Vom Metzger zum Veganer (Interview)
Foto: Andreas Hauser | Interview: Tanja Hauser | ihana.life | zur Facebook-Seite | zum Instagram-Profil
Peter Hübner ist gelernter Metzger, war Jäger und leidenschaftlicher Angler. Heute ist er überzeugter Veganer und Tierrechtler. Wie es zu dieser Transformation kam und wie der Alltag als Metzger so aussieht, hat er mir auf der BIOFACH in Nürnberg erzählt. Danke Peter! Für deine ehrlichen und offenen Worte, deine Zeit und deinen unermüdlichen Einsatz für die Tiere! Deine Arbeit ist so wertvoll.
Peter, wie kam es, dass du den Beruf des Metzgers gewählt hast? Hast du dich bewusst dafür entschieden?
Ich hab als Kind schon das Schlachten gelernt. Für mich war das kein Problem, ich hab ja auch gerne Fleisch gegessen. Eigentlich wollte ich Koch werden. Habe damals aber keinen Ausbildungsplatz bekommen. Also dachte ich mir: Was muss ein guter Koch können? Der muss mit Fleisch umgehen können. Also werde ich Fleischer. Innerhalb der Fleischerei wollte ich dann auch unbedingt in die Schlachtung. Das gehörte für mich einfach dazu. Meine Devise war und ist: Wer nicht töten kann, darf kein Fleisch essen. Damals wusste ich aber nicht, was im Schlachthof auf mich zukommen würde. Nach der Ausbildung hab ich dann auch nicht mehr in dem Job gearbeitet. Daran wollte ich mich nicht mehr beteiligen. Das war nicht das, was ich als Kind gelernt hatte.
Wie sieht so ein Alltag als Metzger aus? Ist man sich bewusst, womit man da arbeitet?
Ja und nein. Ich habe Fleischer gelernt, war also in der Verarbeitung. Der Schlachter tötet, nimmt aus und zerlegt die Tiere in Hälften. Diese Hälften kommen zum Fleischer, der daraus dann Produkte wie Wurst und Schnitzel macht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein Produkt auf dem Tisch liegen. Das Tier habe ich nicht mehr gesehen. Als ich dann aber in der Schlachterei war und die Tiere kamen lebend an – das war für mich unglaublich schwer zu ertragen. Du riechst den Tod – und die Tiere auch.
Als Metzger sieht man offensichtlich so einiges. Gab es Dinge, die dich schockiert haben?
Da gab es tatsächlich mehrere Dinge. Ich habe zum Beispiel oft in weinende Rinderaugen gesehen. Ja, Rinder weinen, genauso wie Menschen. Die Panik und die Angst steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Wenn du dann das Bolzenschussgerät ansetzen musst und in diese hilflosen, traurigen Augen blicken musst, lässt dich das nicht mehr los. Ich persönlich kenne auch nur ganz wenige Schlachter, die den Tieren beim Erschießen in die Augen sehen können. In der Regel schaust du grob in die Richtung, damit du das Bolzenschussgerät ansetzen kannst, versuchst aber, Blickkontakt zu vermeiden. Und das ist kaum zu schaffen. Du musst nämlich einen ganz bestimmten Punkt zwischen den Augen treffen, dann setzt du das Bolzenschussgerät an, durchschlägst die Schädeldecke und erzeugst einen Überdruck, damit wird Gewebemasse zerstört. Das Ganze ist ja aber kein Schuss, sondern ein Öffnen der Schädeldecke. Beim Rausziehen erzeugst du einen Unterdruck und die Schmerzzentrale ist ausgeschaltet – wenn du richtig triffst. Du kannst aber kaum richtig treffen, weil du dem Rind nicht in die Augen sehen kannst. Außerdem wackelt das Rind mit dem Kopf – klar, es ist verängstigt und panisch. Deshalb kommt es zu vielen Fehlbetäubungen. Das Rind fällt dann zwar zu Boden, du musst aber nachschießen. Wenn du Glück hast, triffst du. Wenn du aber beim zweiten Schuss nicht getroffen hast, kannst du keinen Über- oder Unterdruck mehr erzeugen, da das Rind jetzt schon zwei Löcher in der Stirn hat. Öfter nachzuschießen bringt also nichts. Deshalb heißt es eigentlich: Wenn du beim zweiten Mal nicht getroffen hast, schlachte das Tier, du kannst es nicht mehr von seinen Schmerzen befreien. Egal ob es betäubt ist oder nicht. Also töte es besser so schnell wie möglich.
Auf Undercover-Bildern sieht man immer wieder Schlachter, die sechs, sieben Mal nachschießen. Das ist erschreckend. Solche Bilder machen mir echt zu schaffen.
Was mich auch nachhaltig schockiert hat: An meinem zweiten Tag als Fleischer hab ich eine Keule auf den Tisch bekommen, da war ne Eiterbeule drin. Ich wollte sie eigentlich wegwerfen. Mein Chef sagte aber zu mir, ich solle das Ganze einfach dünn ausschneiden. Und dünn hieß in dem Fall, einfach ein bisschen davon abschaben. Das restliche Fleisch wurde verarbeitet. Der Eiter landet gesammelt in so genannten Eiterboxen. Sowohl Eiter als auch das gesamte verarbeitete Fleisch wurden am Ende des Tages gewogen. War es prozentual in Ordnung, war das ganze Fleisch gut. Und man beachte: ich habe bei einem Metzger „Feinkost und Konserven“ gearbeitet. So viel zum Thema „Fleischer des Vertrauens“.
Also gibt es den „Metzger des Vertrauens“, den „Metzger von nebenan“ gar nicht?
Nein, denn auch der bezieht sein Fleisch zu 95 Prozent vom Schlachthof und weiß nicht, wo das Tier herkommt. Und selbst die viel zitierte Bio-Schlachtung findet in konventionellen Schlachthöfen statt. Erst letztes Jahr wurden Grausamkeiten in einem Schlachtbetrieb in Oldenburg aufgedeckt, in dem Tiere unbetäubt in die „Verarbeitung“ gingen. Das ist ein Schlachthof, der vier Tage „normal“ gearbeitet hat und einen Tag die Woche regional Bio geschlachtet hat. Der Verbraucher macht sich etwas vor, wenn er glaubt, es gebe den Metzger des Vertrauens. Es gibt auch kein Fleisch von glücklichen Tieren. Nur von toten. Und ob Bio oder nicht, die Tierhaltung im Gesamten ist grauenvoll. Dort nehmen wir den Tieren das Leben, noch bevor wir sie töten.
Vom Metzger, Jäger und leidenschaftlichen Angler zum Veganer und Tierrechtler zu werden, ist natürlich ein großer Schritt. Wie kam es dazu?
Das fing im Grunde schon in meiner Kindheit an. Mein Vater sagte mir mal: Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es spürt genau wie du den Schmerz. Mit diesem Gefühl bin ich groß geworden. Mein Traum war es immer, einen Bauernhof zu übernehmen. Meine Eltern hatten einen riesigen Garten, da haben wir Kaninchen gehalten. Ein Kaninchen gehörte meinem Bruder, eines mir. Das haben wir mit der Hand großgezogen. Im Oktober mussten die dann geschlachtet werden. Beim ersten Mal habe ich geheult, im nächsten Jahr wollte ich selbst schlachten. Ich habe zu diesem Zeitpunkt gelernt, dass ein Tier ein Nahrungsmittel ist. Das war für mich etwas ganz Normales. Wir haben die Kaninchen immer so geschlachtet, dass die anderen es nicht mitbekommen haben. Die Kaninchen wurden also nie dort geschlachtet, wo die anderen toten Kaninchen waren. Denn die haben das gespürt, gerochen und sie hatten Angst. Ich hatte die Kaninchen auf dem Weg zum Schlachten im Arm, hab sie gestreichelt, dann hat mein Vater die Tiere am Nacken gepackt und ihnen den Knüppel über den Kopf gezogen. Auch das war normal für mich. Deswegen war ich in meiner Fleischausbildung auch so schockiert von dem Fleisch, das ich gesehen habe. Was muss mit dem Tier geschehen sein, dass es mit solchen Abszessen hierher kommt? Als ich im Schlachthof gesehen habe, wie rüde die Tiere getrieben wurden, wie sie mit Elektroschockern drangsaliert wurden, in Panik aus den Tiertransportern bei uns ankamen, da habe ich mich gefragt: Was tun wir den Tieren an?! Das war der Zeitpunkt, ab dem ich mich für die Tiere einsetzen wollte. Ich habe allerdings nach wie vor Fleisch gegessen. Und ich schlachtete auch noch immer selbst. Ich habe auch noch geangelt, die Tiere aber immer mit Respekt behandelt. Zumindest war ich damals der Meinung, dass ich es getan habe. 2014 habe ich dann im Urlaub einen Hecht gefangen. Ich habe ihm die Augen gesehen und konnte ihn nicht töten. Ich habe den Hecht freigelassen, bin nach Hause gegangen und habe meiner Frau weisgemacht, ich hätte nichts gefangen. Am nächsten Tag war es mir dann „zu heiß“ zum Angeln, am übernächsten „zu kalt“. Ich habe also ständig nach Ausreden gesucht, nicht mehr angeln gehen zu müssen. Immer wieder sah ich die Augen des Hechts vor mir. Und wir erinnern uns an meine Devise: Wer nicht töten kann, darf kein Fleisch essen. Und ich konnte nicht mehr töten. Nach ein paar Tagen hab ich dann zu meiner Frau gesagt: „Ich lebe jetzt vegan. Jetzt. Sofort.“ Sie wollte es dann erst mal vegetarisch probieren. Ich habe ihr dann erklärt, dass Milchvieh- und Geflügelhaltung mit die schlimmsten Tierhaltungen überhaupt sind. So konnte ich sie dann auch vom Veganismus überzeugen. Und auch meine Mutter hat sich uns angeschlossen. Sie ist mit 72 Jahren von heute auf morgen zur Veganerin geworden. Die ist mittlerweile Hardcore-Veganerin – seit über vier Jahren.
Was ich noch dazu loswerden möchte:
Allein in Deutschland werden jährlich über 56 Millionen Schweine, 3 Millionen Rinder, 622 Millionen Hühner und andere Vögel auf grausame, unmenschliche Weise für unseren Konsum getötet, Fische sind es 1.800 Milliarden weltweit. Das sind Zahlen, die ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen kann. Fakt ist, wir brauchen weder Fisch noch Fleisch oder Milchprodukte, um gesund sein zu können. Im Gegenteil, eine Ernährung mit tierischen Produkten kann uns sogar schaden. Was ist es also, das uns davon abhält, das alles nicht mehr zu unterstützen? Gewohnheit? Bequemlichkeit? Der Geschmack von Käse? Klingt im Verhältnis zu den Qualen, die die Tiere dafür in Kauf nehmen müssen, ziemlich banal. Das allein kann es doch nicht sein. Oder doch?
Tiere haben die reinsten Herzen. Sie können sich gegen den Menschen und diese grausame Maschinerie nicht wehren. Deswegen müssen wir Menschen das für sie tun. Wir müssen auf ihrer Seite stehen, uns für sie einsetzen und unsere Stimme für sie erheben. Mit aller Macht die wir haben. Das Mindeste, das wir für sie tun können, ist, sie nicht mehr auszubeuten und zu essen. Je mehr Menschen auf der Seite unserer Mitgeschöpfe stehen, desto schneller können wir sie vor noch mehr Leid bewahren. Lasst uns zusammen für die Tiere kämpfen! Lasst uns etwas tun! Mitleid allein ist zu wenig.
Das gesamte Interview mit Peter Hübner könnt ihr hier lesen.
Wer mehr über seine Arbeit als Tierrechtsaktivist erfahren möchte, kann ihm bei Facebook folgen.