Mein Leben im Saustall (Ferkelzucht)

Text: Sabine Köhler  |  Foto: joshuaentis.com

Als eines von 11 Geschwistern werde ich nach 115 Tagen im Bauch meiner Mutter auf einem harten Boden ohne Streu in ihren Exkrementen geboren. Zwei meiner Geschwister sind so schwach, dass sie nicht aufstehen können. Ich sehe noch, wie ein Mensch sie hochhebt und beiden einen Schlag auf den Kopf gibt.

Meine Mutter kann sich nicht um uns kümmern, sie hat nicht die Möglichkeit, sich in ihrem „Ferkelschutzkorb“ zu uns umzudrehen, uns zu begrüßen und zu liebkosen. Auch ein Nest konnte sie uns nicht bauen, wie es sonst in der Natur üblich ist. Die schmale Box reicht ihr kaum zum seitlichen Liegen, damit wir bei ihr trinken können. Für uns haben wir einen extra Bereich um unsere Mutter herum, damit wir aufgrund der Enge nicht versehentlich von ihr erdrückt werden. Eigentlich essen und schlafen wir natürlich nicht in unserer Toilette, aber hier haben wir keine andere Wahl.

Das letzte Drittel meines rosa Schwänzchens wird mir am 3. Lebenstag ohne Betäubung mit einem Heißschneider abgeschnitten. Der soll gleich die Wunde verschweißen. Dieses wird aus dem Grund gemacht, weil wir später in Gruppen zusammen gepfercht sind und uns vor langer Weile und Stress sonst gegenseitig die Schwänze abbeißen würden. Auch eine Ohrmarke bekomme ich jetzt schon, das tut kurz weh. So verstümmelt lande ich wieder bei meinen Geschwistern. Doch ich habe auch Glück, weil ich ein Mädchen bin. Meinen schreienden Brüdern werden auch noch die Hoden ohne Betäubung brutal abgeschnitten, damit sie bis zum Schlachten nicht nach Eber riechen und die Menschen sie leckerer finden.

Einen Tag später werden uns ohne Betäubung die Eckzähne rund geschliffen, damit wir uns nicht gegenseitig oder die Zitzen unserer Mutter verletzen. Ich schreie vor Schmerzen. Drei bis vier Wochen sind wir alle zusammen in diesem engen Käfig und erhalten ab der zweiten Woche Kraftfutter. Unter natürlichen Bedingungen ernähren wir uns drei bis vier Monate von der Muttermilch.

Getrennt von Mama werden meine Schwestern und ich nun in einen Aufzuchtstall gebracht und erhalten spezielles ausgewogenes Futter. Wir dürfen nicht zu schnell zunehmen, denn wir werden als Zuchtsauen großgezogen und es darf keine Fehlentwicklung vorher geben. Dafür haben wir mehr Platz als unsere Brüder – die Mastferkel, die schnell schwer und dick werden müssen. Und wir können erst einmal zusammen bleiben. Als ich mit 8 Monaten und 140 kg noch nicht ganz ausgewachsen bin, komme ich für die nächsten 5 Wochen in Einzelhaft, in einen Kastenstand im Besamungszentrum. Damit der Mensch nicht auf meinen Sexualzyklus warten muss, erhalte ich das Hormon PMSG (Prägnant Mare Serum Gonadotrophin). Das wird in Südamerika auf grausame Art literweise mit dem Blut von schwangeren Wildstuten abgezapft und für uns Zuchtsauen verarbeitet. So gebären dann alle Sauen im Stall synchron, das ist wirtschaftlicher für das Verkaufen oder Schlachten unserer Kinder später. Zwei mal werde ich von einem Mann vergewaltigt, damit ich auch wirklich schwanger bin. Dabei wird ein dünner Plastikschlauch tief in meine Scheide eingeführt und der Samen eines Zuchtebers in die Gebärmutter eingebracht. Der harte Betonboden im Kastenstand ist zur Hälfte perforiert, Metallstangen erlauben mir nur geringste Bewegungen. Nach 20 Tagen wird mit Ultraschall festgestellt, dass die Besamung erfolgreich war. Bei einer meiner Schwestern hat es nicht geklappt, sie wird zum Schlachten abtransportiert.

Jetzt bringt man mich in einen Wartestall, hier bin ich wieder mit anderen Mädels zusammen, weil es gesetzlich vorgeschrieben ist. Aber auch hier ist nur harter Boden mit vielen Spalten und wir haben nicht wirklich Platz zum Spielen, das ist sehr stressig, wir streiten und beißen uns oft gegenseitig.

Eine Woche vor der Geburt meiner Kinder komme ich wieder in Einzelhaft. Eingezwängt in Metallstangen gebäre ich liegend meine wunderschönen rosigen Kinder. Ich kann nur ihren Duft riechen, mich nicht zu ihnen umdrehen und sie liebkosen, auch konnte ich ihnen kein Nest bauen. Sie fallen wie ich damals auf harten kalten Boden. Nur das zuletzt geborene Baby ist nicht stark genug und wird vor meinen Augen erschlagen. Meine Wunden vom Liegen schmerzen und sind entzündet von meinem Kot, in dem ich liegen muss, während ich die Kleinen stille. Ich höre ihre Schreie beim Schleifen der Zähne und dem Kastrieren meiner kleinen Jungs. Bald schon werden mir meine Kinder weggenommen, erneut schwängert man mich. Zweimal pro Jahr bin ich eine Gebärmaschine und pendle zwischen Besamungszentrum und Kastenstand. Meine Beine tun weh durch mangelnde Bewegung, Harnwegsinfektionen und Verdauungsstörungen kommen hinzu. Einmal klemme ich mir eine hintere Zitze im Spaltenboden ein und als ich aufstehe, reißt sie ab. Meine Schreie bleiben ungehört. Ich bin schon völlig fertig mit den Nerven, kaue an den Metallstangen oder sitze manchmal apathisch auf meinen Hinterbeinen und lasse den Kopf hängen.

Nach drei leidvollen Jahren gehöre ich schon zu den alten Sauen, sechs mal habe ich Babys geboren. Das Ende ist da, mit einigen meiner Schwestern werden wir in einen Transporter getrieben. Dass ich jetzt Durst und große Angst habe, interessiert niemanden. Am Ziel angekommen, gerate ich in Panik, es riecht nach Blut und ich höre Todesschreie. Mit Schlägen und Tritten zwingt man mich in einen Gang. Hohe Stromstöße rauben mir fast die Sinne, dann spüre ich einen Schnitt in meiner Kehle, will schreien, zapple in der Schlinge, die mich hochzieht … dann wird es dunkel um mich … warmes Blut strömt aus mir heraus … ich sterbe.

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