Text: Imke Buchal
Dichotomie: „100 % vegan“ gibt es nicht … ?
Ich war 48 Jahre alt, als ich feststellte, dass mein jahrelanger Fleischverzicht nicht ausreichte. Im Gegenteil – entsetzt recherchierte ich, dass durch den Kauf von Eiern und Milchprodukten unsägliches Leid und Abermillionen Tode finanziert werden. Das war mein „point of no return“. Ich konnte diese Fakten nicht einfach ignorieren und wusste, dass ich meine Vorstellungen von größtmöglicher Gerechtigkeit nur durch eine vegane Lebensweise erreichen werde.
1. Januar 2014 – das war mein Stichtag. Ab diesem Tag wollte ich keine Tierprodukte mehr konsumieren. Weißt Du, wann ich es dann tatsächlich geschafft habe? (Und ich meine damit nur den Essens-Sektor) – im August 2014.
Wenn Du auf unserer Seite gelandet bist und bis hier hin gelesen hast, bist Du bereits für dieses Thema sensibilisiert. Ich möchte Dich ermutigen, Dein eigenes Tempo zu bestimmen. Jeden Tag oder jede Woche einen weiteren Schritt zu gehen und zu schauen, wie es sich für Dich anfühlt. Für mich war es eine Befreiung, nicht mehr Teil dieses mörderischen Systems zu sein. Ich habe im Nachhinein festgestellt, dass ich ein lange verdrängtes Schuldgefühl hatte – das ist jetzt verschwunden und Essen fühlt sich einfach besser an.
Lass Dich nicht von dem Schein-Argument von Deinem Weg abbringen, dass „es 100 % vegan nicht gibt“. Jeder nicht gekaufte Liter Kuhmilch zählt. Jeder Deiner Schritte bewirkt etwas. Zeig dem Ausbeutungs-System, was kritische Verbraucher*innen wirklich wollen – dieser Wille ist nämlich schon deutlich im Lebensmittel-Einzelhandel angekommen: So sind z. B. die Marktanteile von Pflanzenmilch in den letzten Jahren stark gestiegen. Dein Kassenbon ist Dein Stimmzettel. Nicht Ethik, sondern wirtschaftliche Entscheidungen werden Konzerne in die Knie zwingen. Und wir haben die Macht, dies zu bewirken.
Hier die Definition von Veganismus:
Veganismus ist eine Lebensweise, die versucht, – soweit wie praktisch durchführbar – alle Formen der Ausbeutung und Grausamkeiten an leidensfähigen Tieren für Essen, Kleidung und andere Zwecke zu vermeiden.
Es gibt keine „Vegan-Polizei“, jede*r bestimmt selbst, was für ihn/sie passt. Natürlich geht immer noch mehr. Und je länger ich vegan lebe, desto mehr stelle ich auf tierleidfreie Alternativen um: Pflegeprodukte, Kosmetik, Reiniger, Kleidung, Schuhe usw. Vielleicht erreichen wir niemals 100 %, doch ist das wichtig? Kleiner Test. Wie klingen diese Aussagen aus anderen Lebensbereichen für Dich:
- Ich lege kein Geld zurück, weil ich sowieso nie Millionär*in werde.
- Ich gehe nicht ins Fitnessstudio, weil ich eh nicht den Mrs. Olympia-Titel erringe.
- Ich bemühe mich nicht um Freundlichkeit, es wird immer Leute geben, die mich nicht leiden können.
Klingt irgendwie absurd, oder? Eben. Genau wie „da ich vermutlich unbemerkt Ameisen zertrete, nutzt es nichts, kein Fleisch zu essen“. Es gibt sogar ein Wort für diese Sichtweise: Dichotomie. Zwei Mengen ohne Schnittmenge. Danach könnte man/frau quasi entweder Veganer*in sein oder „scheitern“. Das ist natürlich Quatsch. Erstens setzen wir uns damit vollkommen unnötig unter Druck, was die Gefahr birgt, dass wir entnervt das ganze Vorhaben abbrechen. Zweitens, viel schlimmer: Die Opfer dieser Sichtweise sind Milliarden Tiere! Wir sind die Einzigen, die ihr Schicksal beeinflussen können. Sie haben keine Lobby außer uns. Sie sind „Waren“, „Produkte“, „Produktionseinheiten“ und werden nur unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität, der größtmöglichen Gewinnspanne betrachtet. Du aber siehst ihre Qualen.
Du machst einen Unterschied.